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Wieder einmal wird uns gesagt wie denn die Entwaldung unserer Regenwälder gestoppt werden kann: „der stehende Baum muss mehr wert sein als der gefällte Baum“ – und da Landwirtschaft nun einmal der Hauptverursacher der tropischer Regenwaldzerstörung ist, müssen somit die „opportunity costs“ durch REDD+ abgedeckt werden. Will heißen, der Profit aus den Geldgeschenken des REDD+ Prozesses muss höher sein als der Profit, der aus einer  landwirtschaftlichen Nachnutzung eines gerodeten Regenwaldstückes erzielt werden kann.

Allerdings, auch das ist noch so einfach: denn der Profit aus einer Nutzung dieser Fläche für eine industrielle Rindfleischproduktion ist ungleich höher als der Profit den ein Kleinbauer aus der gleichen Fläche erzielt, wenn er Landwirtschaft für den Lebensunterhalt für sich und seine Familie betreibt.
Aber zurück zum eigentlichen Thema: kann Naturschutz der alleinige Heilsbringer im REDD+ Prozess sein, wie uns so manche international Naturschutzorganisation glauben machen will (CI und UNEP in der Ausgabe des ITTO Tropcial Forest Update 20/1 – Oct. 2010):

“In general, policy makers and forest managers can help ensure redd+ implementation contributes to biodiversity conservation in a variety of ways. These include (but are not limited to) spatially targeting redd+ to forests of greatest biodiversity value, prioritizing the reduction of deforestation and forest conservation over the reduction of forest degradation and forest carbon stock enhancement (as the former will have greater immediate conservation benefits), establishing new protected areas where appropriate, replacing conventional logging with reduced impact logging or forest conservation, requiring environmental and social impact assessments (eaia’ s) for redd+ programs and/or establishing environmental safeguards.”

Haben Menschen keinen Platz im Naturschutz?

Interessant ist diese Passage auch deshalb, weil hier, ohne auch nur ein Wort über die Menschen zu verlieren, die in, von und mit solchen Wäldern leben, Naturschutz als oberstes Gebot hingestellt wird. Kein Wort darüber, dass der Wald in den Tropen unmittelbar für den Lebensunterhalt von 60 Millionen sorgt und für weitere 900 Millionen Menschen einen wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage darstellt.

Aber schon lange regt sich Widerstand gegen diese einseitige Naturschutzbetrachtung. Nicht umsonst wurde REDD+ ins Leben gerufen, wobei das PLUS eben nicht nur Naturschutz repräsentiert, sondern eben auch nachhaltige Waldwirtschaft und Kohlenstoffanreicherung (was Aufforstung gleichkommt).

Wie in vielen Beispielen mittlerweile eindrücklich und nachweislich belegt, haben in der Vergangenheit Kohlenstoffsenkenprojekte im tropischen Regenwald, die über rigide Naturschutzvereinbarungen sichergestellt wurden, einen Exodus lokaler Bevölkerung und indigener Völker bewirkt. Stellvertretend für viele dieser Projekte, sollen hier nur zwei angeführt werden:

  1. Eine US-amerikanische Naturschutzorganisation namens Nature Conservancy hat in Bolivien vor ca. 14 Jahren ein 800.000 ha großes Naturschutzprojekt mit dem Namen Noel Kempff aus der Taufe gehoben. Die Finanziers dieses Projektes waren American Electric Power, Chevron und GM, Ziel des Projektes war, Carbon Credits zu generieren. Wie in einem Artikel nachzulesen, wurden allerdings im Zuge dieses Projektes Menschen umgesiedelt und die durch dieses Projekt initiierten Kompensationsprogramme degradierten letzendlich die umgesiedelten Menschen zu Almosenempfängern.
  2. Ein ähnlicher Fall hat sich in Uganda zugetragen. Dort wurden ebenfalls zum Zweck der Kohlenstoffspeicherung durch Wald ca. 6.000 Menschen umgesiedelt.  Das Gebiet wurde zum schlichtweg zum „Nationalpark Mount Elgon“ erklärt und den Menschen wurden neun Tage Zeit gegeben um den Nationalpark zu verlassen. Die dort ebenfalls versprochenen Arbeitsplätze im Ausgleich für die Umsiedelung wurden schlichtweg nicht umgesetzt, lediglich einige Leute bekamen Saisonarbeitsplätze in den Baumschulen als Hilfsarbeiter.

Das Schicksal der Ureinwohner Nordamerikas oder Australiens vor Augen

Wie ein roter Faden zieht sich durch diese Projekte, was immer schon in unserer Geschichte Urvölkern angetan wurde. Schon immer hat man der eingeborenen Bevölkerung das Land auf dem sie gelebt hat geraubt und später dann als Wiedergutmachung Sozialhilfeprojekte in Form von staatlichen Förderprogrammen gestartet. Man hat mit diesen staatlichen Geldgeschenken diesen Menschen ihre Identität genommen, hat ihnen ihre Lebensgrundlage zerstört, hat sie jeglicher Aufgaben und Herausforderungen beraubt und hat sie in die Abhängigkeit von Alkohol und staatlichem Fördergeld getrieben. Die Indianer des Nordamerikanischen Kontinents, die Eskimos Grönlands und die Aborigines Australiens können ein Lied davon singen. Bei ihnen waren es die Bodenschätze oder das Land selbst, wofür sie weichen mussten, heute und morgen könnten es Kohlenstoffspeicher und Biodiversität sein, weswegen wieder einmal indigene Völker zu Almosenempfängern gemacht werden.

Die Kohlenstoffpools der Regenwälder sollen überwacht werden

Seit man vor einiger Zeit festgestellt hat, dass die Entwaldung unserer Regenwälder einen nicht unerheblichen Beitrag zur globalen Treibhausgasbilanz der Erde liefern, ist Feuer am Dach. Spätestens seit der Klimakonferenz in Bali wird darüber nachgedacht, wie man diesem Problem Herr werden könnte. Man hat deshalb sogar ein eigenes Programm mit dem etwas sperrigen Namen REDD+ („reducing emissions from deforestation and degradation“) aus der Taufe gehoben. Und natürlich denkt man seit damals auch schon darüber nach, was denn der Inhalt dieses Programmes sein soll. Naturschutz, nachhaltige Waldbewirtschaftung und Bäume pflanzen sollen die wesentlichen Inhalte sein. Der Kern der Idee ist allerdings, dass Geld von den Industriestaaten an die betroffenen Tropenwaldländern für die Verringerung der Rodung dieser Wälder bezahlt werden soll. Festgemacht werden soll das Ganze an den Veränderungen der Kohlenstoffpools dieser Wälder.

KISS - Keep it simple and stupid

Interessant ist nun, dass in den meisten zu diesem Thema geschriebenen Artikeln, die Unterschutzstellung dieser Wälder als die einzige Lösung präsentiert wird. Wahrscheinlich aus der Überlegung heraus, dass man Ökosysteme am besten dadurch schützen, indem sie vor dem Einfluss des Mensch schützt. Klingt auf den ersten Blick plausibel, übersieht aber den Umstand, dass in vielen diesen Wäldern bereits Menschen leben. Und für noch viel mehr Menschen diese Wälder die Lebensbasis bilden. Viele dieser Wälder sind also schon längst nicht mehr die sich selbst überlassenen Ökosysteme, wie sie gerne von so manchen Naturromantikern gesehen und dargestellt werden.  Folgt man nun der reinen Logik des so oft im REDD+ Prozess verwendeten Naturschutzgedankens, dann wäre die Räumung dieser Wälder die logische Konsequenz. Und tatsächlich wird auch darüber nachgedacht, wie man denn die Menschen zu einer Abwanderung aus den Regenwäldern „sanft“ bewegen kann. Die Idee dahinter: das von den Industriestaaten gezahlte Geld für die Verringerung der Regenwaldentwaldung soll nicht an die Regierungen der betroffenen Länder, sondern direkt an die betroffene Bevölkerung fließen.

"Die somit massiv geschwungene Naturschutzkeule im REDD+ Prozess könnte denselben Effekt haben wie die vor Jahrhunderten statt gefundene Verdrängung der Ureinwohner Nordamerikas oder Australiens"

Dieses Geld soll sozusagen eine Kompensation und Entschädigung für die Durchsetzung eines unumschränkten Naturschutzes darstellen, wobei natürlich auch die biologische Vielfalt dieser Wälder geschützt werden soll. Natürlich soll dieses Geld auch für soziale Programme verwendet werden.

Das kommt ihnen durchaus bekannt vor?

Es entstehen nun in ihrem Kopf Assoziationen mit „Reservaten“ und von Ureinwohnen, die von ihren eigentlichen Wurzeln abgetrennt worden sind und jetzt ihr tristes Dasein in staatlich finanzierten Unterkünften fristen?

Sie sind nicht alleine mit diesen Bildern…

Nachhaltige Waldbewirtschaftung nach dem Vorbild Mitteleuropas ist der Schlüssel

Wie schon oben erwähnt, soll ja nicht nur Naturschutz Teil von REDD+ sein, sondern eben auch nachhaltige Waldbewirtschaftung und Aufforstung. Wieso nun aber stürzt sich der Großteil der im den REDD+ Prozess beteiligten Experten so sehr auf Naturschutz? Ein Grund könnte darin liegen, dass sich die wenigsten konkrete Vorstellungen über nachhaltige Waldbewirtschaftung haben. Darüber hinaus wird auch von vielen Naturschutzorganisationen das Stereotyp der nachhaltige Waldbewirtschaftung als Baummörder und somit als Raubbau an der Natur bedient.

Natürlich findet sich immer wieder in der Literatur zu REDD+ der Hinweis auf nachhaltige Waldbewirtschaftung. Beginnt man aber diese Literatur genauer zu lesen, so stellt man fest, dass sich sehr oft die Vorstellungskraft des Autors letztendlich wieder nur im Naturschutzgedanken erschöpft.
Seien es der GEF, UN-REDD  oder andere internationale Programme im REDD+ Bereich, sie alle reduzieren sehr oft nachhaltige Waldbewirtschaftung auf Naturschutz.

Dabei könnte nachhaltige Waldbewirtschaftung sehr wesentlich das Spannungsfeld zwischen REDD+ und Menschen entschärfen. Denn das System der nachhaltigen Waldbewirtschaftung nach mitteleuropäischem Muster ist ein ganzheitliches und integrales. Die Multifunktionalität des Waldes wird hier in den Vordergrund gestellt, Mensch, Naturschutz und Bewirtschaftung stehen gleichberechtigt nebeneinander, was natürlich auch zur Folge hat, dass zwar jeder Abstriche in Kauf nehmen muss, dafür aber im Gegenzug die gegenseitige Daseinsberechtigung nicht in Frage gestellt wird.
Was nun könnte nachhaltige Waldbewirtschaftung im REDD+ Prozess wirklich leisten?

Zuallererst würde nachhaltige Waldbewirtschaftung allen Menschen die im und von ihrem Wald leben, die Möglichkeit bieten, weiterhin mit ihrem Wald zu leben.

  • Sie würden wahrscheinlich die Aufgabe übertragen bekommen, mehr proaktiv ihren Lebensraum Wald zu gestalten. So z.B. müssten sie sich vielleicht mehr Gedanken darüber machen, welche Gebiete ihres Waldes unbedingt zu schützen sind und welche für eine nachhaltige und schonende Produktion von Holz verwendet werden könnten.
  • Sie müssten vielleicht neue Fertigkeiten in einer vorausschauenden Planung entwickeln, könnten aber umgekehrt ihr gesamtes ökologisches Wissen rund um das Ökosystem ihres Waldes in diese Planung einbringen. Das Ergebnis dieser Planung wäre ein vorausschauender Produktionsplan, dessen Einhaltung aber auch garantiert sein muss.
  • Sie würden in Abwägung ökologischer und ökonomischer Aspekte Entscheidungen treffen, welche Baumarten wo und wie verjüngt werden sollten, auf welchen Flächen nachhaltige Landwirtschaft betrieben werden soll ohne die Ertragskraft des Bodens auf Dauer zu erhalten.
  • Sie müssten sich Gedanken darüber machen, wie sie das geerntete Holz möglichst schonend aus dem Wald bekommen (wo und wie Forststraßen angelegt werden sollen) würden dafür aber einen Teil ihres Lebensunterhaltens aus den Einnahmen des Holzverkaufs bestreiten.Sie müssten sich darüber Gedanken machen, ob und wie sie die von ihnen geschützten Urwaldbereiche einer sanften touristischen Nutzung zuführen können, könnten im Gegenzug aber ihr gesamtes Wissen über die Flora und Fauna ihres Waldes an die Besucher weitergeben.
  • Sie müssten gemeinsam mit den Behörden ein Waldprogramm erarbeiten, welches nicht nur die Nutzung des Waldes sondern auch den Schutz des Waldes und den Schutz der Menschen vor Naturgefahren beinhalten würde. Im Gegenzug wären diese Menschen dann aber auch verpflichtet, auf die Einhaltung und Vermittlung dieses Waldprogrammes zu achten.
  • Und, und, und…

Kommen sie zu uns und überzeugen sie sich vor Ort…

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte:

So stolz wie diese Waldeigentümer auf ihren Wald sind, können alle Menschen sein, die im, vom und mit dem Wald leben...
Ganz egal ob irgendwo in Europa oder im tiefesten Regenwald des Amazonas

Nachhaltige Waldbewirtschaftung mitteleuropäischer Prägung könnte jenen Menschen, die unmittelbar von Klimawandelprozessen wie REDD+ betroffen sind, das Schicksal des Lebens in „Reservaten“ ersparen. Und sie bietet darüber hinaus diesen Menschen den sanften Übergang in eine neue Zeitepoche und den weitestgehenden schmerzlosen Eintritt in eine globale Welt. Es würde ihnen ihre Würde belassen und sie könnten weiterhin Stolz auf die von ihnen mit ihrer eigenen Hände Arbeit geschaffene Lebensgrundlage – dem Wald – sein.

Wenn Sie nicht glauben, dass nachhaltige Waldbewirtschaftung das alles schaffen kann – immerhin handelt es ist um eine schwierig zu vermittelnde, da komplexe, Materie, -  dann kommen sie zu uns nach Österreich. Gerne zeigen wir ihnen unser schon seit langem praktiziertes und gelebtes System der nachhaltigen Waldbewirtschaftung…

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REDD+: Naturschutz ist nicht der Weisheit letzter Schluss!


 



Blog | by Dr. Radut